top of page
AutorenbildStephan Paul Stuemer

Das Land wo Milch und Wasser fließen

Ein Interview mit dem Leiter für Wassergewinnung der Stadtwerke München Rainer List


Grüß Gott Herr List, Sie arbeiten als Leiter der Wassergewinnung bei den Stadtwerken München. Was machen Sie da genau?

Ganz genau. Ich habe die Verantwortung für die gesamte Wassergewinnung für München. Das heißt ich bin technische Führungskraft, Produktbeauftragter für das Produkt Wasser insbesondere der Qualität von der Quelle bis zum Hausanschluss, außerdem bin ich zuständig für den Bereich Wasserrecht und das Handling des ökologischen Landbaus.

Woher kommt das Trinkwasser in München?

Das Wasser kommt aus drei Einzugsgebieten: dem Mangfalltal (80 % des Münchener Trinkwassers), aus Oberau im Loisachtal (20 % des Münchener Trinkwassers) und aus der Münchener Schotterebene (für das Abfangen von Spitzenverbräuchen). Die älteste Wassergewinnung Münchens ist das Mangfalltal mit seinen Freispiegelleitungen von 1883, die mit einer Neigung von 4 Promille in einem natürlichen Gefälle nach München fließen. Auch aus Oberau führen unterirdische Stollen und Leitungen seit 1984 mit natürlichem Gefälle das Wasser aus den artesischen Brunnen nach München. In der Schotterebene gibt es fünf Pumpwerke, die zwischen 1949 bis 1972 entstanden und zu Zeiten des Spitzenverbrauches zugeschaltet werden. Diese sind in Trudering, Deisenhofener Forst, Höhenkirchener Forst, Forstenrieder Park und in Arget. Mit diesen 3 Gewinnungsgebieten kann die Stadt München mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern und einem Wasserbedarf von 300 Millionen Litern am Tag versorgt werden. Im Normalfall ist hier eine Überkapazität vorhanden, doch auch wenn eine Anlage ausfällt, wenn Wartungsarbeiten oder Stollenbegehungen anstehen, die einmal jährlich durgeführt werden, müssen wir trotzdem ausreichend Wasser zur Verfügung stellen können. Außerdem sind wir Notversorger für viele umliegenden Gemeinden. Die Trinkwasserfassungen im Mangfalltal sind so konstruiert, dass jahraus jahrein -wie von der Natur vorgegeben- nahezu die gleiche Menge gefasst und abgeleitet wird. Wobei wir nur die Hälfte des neu gebildeten Grundwassers benötigen. Damit kommt auch das Ökosystem gut zurecht.

Was bedeutet für sie Trinkwasserschutz, wie funktioniert Trinkwasserschutz durch ökologischen Landbau? Worauf legen Sie hierbei besonderen Wert?

Wir verfolgen den Ansatz: Vorbeugen ist besser als Aufbereiten! Wenn man im Vorfeld für den Erhalt der Qualität des sich später bildenden Grundwassers sorgt, muss man es später nicht aufbereiten. Genau das tut der ökologische Landbau. Es werden weniger Tiere pro Fläche gehalten und keine chemischen Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausgebracht. Somit kann das auch nicht ins Grundwasser gelangen. Der ökologische Landbau ist in diesem Fall für die Qualität unseres Trinkwassers besonders wertvoll.

Wie kam es zu einem gemeinsamen Projekt mit UNSER LAND, wie ist diese Zusammenarbeit aufgebaut, was beinhaltet sie für die SWM? Warum UNSER LAND?

Unser Ziel war es, ein Produkt zu finden, mit dem sich der Landwirt und die Region identifizieren können. Häufig liefern Landwirte aus vielen verschiedenen Regionen an eine Molkerei, welche die Milch vermischt. Mit UNSER LAND war es möglich die Milch aus dieser doch recht kleinen Region zu einem Produkt, der UNSER LAND Bio Milch und mittlerweile auch noch zweier UNSER LAND Bio Käsen, zu verarbeiten.

Was hat der Landwirt von dieser Kooperation, welche Vorteile entstehen dabei beispielsweise für den Milchtrinker? Welche weiteren Vorteile gibt es?

Der Landwirt hat einen Absatzmarkt für seine Biomilch, er bekommt einen guten Milchpreis und es gibt eine Identifikation über das Produkt für den Landwirt. Außerdem ist es ein Verbreitungseffekt der Region, denn diese Milch gibt es ja im ganzen UNSER LAND Netzwerkgebiet zu kaufen. Der Vorteil des Milchtrinkers ist ganz klar: Er schützt gleichzeig das Wasser, unser wichtigstes Gut.

Ist der Wasserverbrauch durch die aktuelle Pandemie gestiegen?

Eigentlich nicht. Die Abnahmekurve hat sich ein wenig geändert, denn die Spitzen am Morgen sind entzerrter. Der Privatverbrauch steigt, dafür sinkt der Verbrauch im Gewerbe.

Besteht durch den Coronavirus (COVID-19) eine Gefahr für unser Trinkwasser? Kann sich dieser Virus z.B. auch über das Abwasser verbreiten und somit in den Kreislauf der Trinkwasserversorgung gelangen?

Eindeutig Nein! Grundwasser ist durch mächtige Bodenschichten, wo jeder Wassertropfen erst mal durch muss, bis es überhaupt ins Grundwasser kommt, hervorragend geschützt. Wir haben rein präventiv eine Desinfektionsanlage mit ultraviolettem Licht -eine UV-Anlage- zugeschaltet, um die Sicherheit noch weiter zu erhöhen.

Ist Mikroplastik in Bayerns Flüssen in ihrer Abteilung ein Thema?

Das ist bei uns ein Randthema. Natürlich haben wir hierzu Studien durchführen lassen. Im Grundwasser lassen sich jedoch nicht mal Spuren von Mikroplastik feststellen. Das Wasser muss einfach durch zu viele, sehr dichte Bodenschichten durch, die sehr gut filtern. Im Oberflächenwasser von Flüssen wie Mangfall oder Isar lässt es sich hingegen nachweisen. Wir lassen im Jahr etwa 1.000 chemische Stoffe untersuchen. Die Analytik heutzutage wird immer besser, so kann man manche Stoffe mittlerweile im Nanobereich nachweisen, was früher gar nicht möglich war. Aber Mikroplastik gehört nicht dazu.

Warum kann man Wasser aus Münchens Leitungen trinken? Was fasziniert Sie an Wasser? Glauben Sie an „strukturiertes Wasser“?

Das Münchener Trinkwasser ist ein quellfrisches Produkt, das alle Grenzwerte der Trinkwasserverordnung um ein vielfaches unterschreitet. Das zeigen täglich zahlreiche Beprobungen. Den guten, frischen Geschmack macht der hohe Kalkanteil. Zusätzlich bildet der Kalk in den Leitungen eine feine Schutzschicht gegen Korrosion. Im Haushalt wie zum Beispiel im Wasserkocher oder in der Dusche ist das natürlich nicht so toll. Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und kann nicht künstlich hergestellt werden. Ich persönlich glaube nicht an strukturiertes Wasser, aber der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Das Wasser aus dem Mangfalltal wird übrigens rechtsgedreht geliefert. Die Anbindung der Quellen im Mangfalltal an die Zubringerwasserleitung nach München erfolgt mit einer rechtsdrehenden Spirale um die natürlichen Drehbewegung -die Corioliskraft- auf der Nordhalbkugel mit zu nutzen. Die Corioliskraft sorgt beispielsweise im Ablauf der Badewanne , dass sich das Wasser rechts herum dreht.

Was muss für Münchens Trinkwasser verbessert werden und für unsere Isar? Welche Herausforderungen ergeben sich für die Zukunft?

Die Hauptaufgabe für uns wird sein, die Qualität des Münchener Trinkwassers für die Zukunft zu erhalten. Hier gilt wieder die Frage: Wie verhindert man auch in Zukunft Einträge ins Grundwasser im Vorfeld? Es gibt viele Herausforderungen: Der Verkehr auf den Straßen, die Besiedlung, das Gewerbe, die Industrie, die Landwirtschaft… Wir müssen dahinter bleiben, dass die Qualität so bleibt. Denn München wird wachsen. Prognosen sagen, dass die Einwohnerzahl bis 2035 auf ungefähr 1,8 Mio. Menschen steigt. Das ganze Wasser muss man erst mal herbringen in dieser Qualität. Da muss man nachhaltig denken! So wie unsere Vorfahren damals im Jahr 1883, die Stollen aus dem Mangfalltal bauten, die wir heute noch genauso nutzen – das nenne ich Nachhaltigkeit und Weitblick. So sollte ein Wasserversorger heute denken: Unsere Kinder und Kindeskinder sollte eine solche Wasserqualität vorfinden. Das Trinkwasser ist ein Spiegel unserer Zeit. Wir werden unten das finden, was der Mensch oben anrichtet.

Interview von Theresa Boisson und Stephan Paul Stuemer. Fotos: UNSER LAND

 

MEHR INFOS


25 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page